Mallorca-Urlaub anno 1957 ...

 

Wie Henny und Rudi Brüning im Jahre 1957 die Playa de Palma erlebten ...
Mallorca-Ausflug 1957

 

Der Urlaub begann mit einem kleinen Wettlauf: Wer die DC 4 auf dem Rollfeld zuerst erreichte, bekam auch die besten (Fenster-)Plätze. Nein, die Sitze der Ferienflieger waren noch nicht durchnummeriert, in jenem Jahr 1957, als Henny und Rudi Brüning in ihren ersten Mallorca-Urlaub starteten. In ihr erstes Mallorca-Abenteuer, müssen wir wohl besser schreiben, denn die Pauschalreise von damals hatte einen Erlebniswert, der heutzutage dem einer Treckingtour durch schlangenverseuchte Amazonasgebiete entspricht. ,,Ich war eine Sensation in der Firma”, erinnert sich Henny Brüning. Mallorca war eine Sensation. Ganze 256.711 Gäste wurden in jenem Jahr gezählt  (zum Vergleich 2014: 13,5 (!) Millionen Gäste).

Inzwischen sind die Eheleute aus Meerbusch so etwa 80 Mal eingeflogen, zählen zu den winterlichen Stammgästen des RIU Bravo an der Playa de Palma. Und wenn sie wieder nach Hause jetten, bleibt ein Teil der Ferienausrüstung im Hotel-Keller. Brünings haben immer einen Koffer auf Mallorca. Das hängt nicht zuletzt mit ihrer engen Bindung zu den Hotels mit den drei Großbuchstaben beziehungsweise mit den Eignern derselben zusammen. Aber davon später.

,,Fürchterliche Ohrenschmerzen” hatte er auf seinem ersten Flug, erzählt Rudi Brüning; der Druckausgleich im ,,Rosinenbomber” war eine diffizile Angelegenheit. Aber spätestens in den Alpen wurde die Spurtfreudigkeit der Brünings auf dem Düsseldorfer Airport belohnt. Das Sightseeing begann. ,,Eiger, Jungfrau, Mönch – wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus”, sagt Henny Brüning. Die Berggipfel lagen über ihnen – die DC 4 flog auf 3000 Meter.

Nach viereinhalb Stunden landeten sie in Son Bonet, dem Flugfeld in Pont d'Inca, das heute den Hobbyfliegern vorbehalten ist. Die technische Ausstattung des ,,Airports” war, vornehm ausgedrückt, schlicht. Vielflieger Brüning erinnert sich: ,,Es gab keine Positionslichter. Als wir einmal wegen einer Verspätung in die Dämmerung gerieten, wurden Lastwagen aufgestellt, um uns den Weg zu weisen.”

Und dann die Sache mit den Bademänteln. ,,Viele Passagiere hatten beim Aussteigen Bademäntel über dem Arm”, erzählt Henny Brüning, und gibt auch gleich des Rätsels Lösung: Die voluminösen, aber damals unverzichtbaren Dinger hatten keinen Platz im Koffer, weil das Gepäck so streng limitiert war.

Auf der Fahrt zum Hotel kamen den Brünings erstmals Bedenken. ,,Wo sind wir denn da hingekommen?”, durchfuhr es die Urlauber. ,,Da standen ärmliche Hütten am Wegesrand, wie man das etwa in einigen Karibikstaaten heute noch erlebt.” Luxus war es nicht, was den Mallorca-Urlauber von 1957 erwartete. Aber eine fremde, unverfälschte, ja heile Weg. Heil war etwa die Playa de Palma, die die Brünings bei Dr. Tigges gebucht hatten (298 Mark, Vollpension). Dünenlandschaft, soweit das Auge reichte. Nur ab und zu ein Haus für die Sommerfrische eines reichen Palmesaners, die weiße Strandkirche, ein schmales Sträßchen – und drei Hotels: Los Angeles, Biarritz und San Francisco.

Letzteres war 1953 von einem Unternehmer aus Girona gekauft worden: Juan Riu. Nun begrüßte ,,Don Juan” die Brünings per Handschlag. Sie bezogen Zimmer 27, immerhin schon mit Dusche ausgestattet.

Es war Oktober, die Brünings hatten noch Badewetter. Der ,,Riu-Strand” war mit einem Strohdach, Liegestühlen und zwei Umkleidekabinen für die Gäste hergerichtet. Die mußten sich zuerst an die Landessitten gewöhnen. Joan Riu hatte zur Warnung ein Schild aufgehängt: ,,Dies ist ein Land mit höchster Moral”, hieß es da zur Begründung, warum das Tragen von Bikinis bei Strafe verboten ist. Rudi Brüning erinnert sich: Eines Tages ging eine Bekannte im Zweiteiler baden, prompt wurde sie von einem Sittenhüter der Guardia Civil ins Visier genommen. „Wir haben sie ,gerettet', indem wir sie hinter einer Luftmatratze versteckten und ihr einen Bademantel reichten.”

Eine gewisse touristische Infrastruktur gab es durchaus. Das wandelnde Fotostudio etwa. Der Mann hatte die Eimerchen mit den Chemikalien am Kamerastativ hängen und entwickelte die Touristenfotos vor Ort – unter einer Decke. Brünings konnten auf die Dienste verzichten; sie drehten schon damals Filme und machten Farbdias. Dias, die sie jetzt teilweise auf Papier ziehen lassen.

Trinkfreudig war das Urlauber-Völkchen der Playa de Palma, die damals noch gar nicht so genannt wurde, übrigens auch im Jahre 1957 schon. Rudi Brüning hat für MM noch einmal die wichtigsten Preise ermittelt: Der Palo kostete drei Peseten, der Cognac (noch hatten die Franzosen gegen diese Bezeichnung des Brandy nicht protestiert) vier. ,,Gin Fizz”, der Modedrink des Jahres, schlug mit immerhin zehn Peseten zu Buche. Eine Flasche Terry ging für läppische 46 Peseten über die Theke.

Die Vorläufer des Ballermanns lockten: Brünings zogen abends gen Arenal, genauer: in die Kellerpinte ,,El Pirata”. Ein grünes Licht leuchtete ihnen an der stockfinsteren Playa den Weg. Der Wirt, ein Holländer, ist nicht ganz unschuldig daran, daß die Deutschen heute keine Millionäre sind. Er riet ihnen damals dringend vom Kauf eines Strandgrundstücks ab. Eine Mark sollte der Quadratmeter kosten.

Apropos finster: ,,Stromausfall hatten wir jeden abend”, erinnert sich Rudi Brüning. Aber die Hotelcrew war im Kerzen aufstellen geübt und entsprechend fix.

Das Essen im San Francisco gefiel den frühen Gästen nicht so gut wie das Getränke-Angebot. Aber der Barkeeper hatte einen guten Tipp parat: Das nächste Mal Tütensuppen mitbringen. Was man denn auch beherzte. Die Hotelleitung reagierte ebenfalls: ,,Sportler, die nicht satt wurden, bekamen die doppelte Ration.” Einige Jahre später erhielten die Brünings von ihrem inzwischen guten Bekannten Juan Riu Besuch in Deutschland. Der Hotelier erkundete Alemania und dessen Küche, um die (kulinarischen) Vorlieben seiner Gäste herauszufinden.

Es ist reich an Anekdoten, das Urlauberleben der 50er Jahre. Mit einem wissenden Lächeln erzählt Rudi Brüning von dem Zivilgardisten, der immer gegen Mitternacht an der Hotelbar besonders lange an seinem Palo nippte. Das war nämlich die Uhrzeit, zu der die Fischer am Strand die Schmuggelware anlandeten, Säcke mit Zigaretten und Parfüm vor allem. „Morgens, beim Frühstück, flüsterte einem der Schuhputzer dann zu, was er neben blitzblanken Tretern noch zu bieten hatte: ,,Chesterfield, Chanel No. 5...”

Die Dr.-Tigges-Fahrer waren ein durchaus unternehmungslustiges Völkchen. Für private Ausfahrten standen in der Region zwei Mietwagen parat: so genannte ,,Biscuters”, Miniatur-Cabrios mit drei Vorwärtsgängen, aber keinem fürs Zurückstoßen. Und Vespas natürlich. Die Brünings hatten einmal das Privileg, Mallorcas Schotterstraßen an Bord der amerkanischen Limousine von Hotelier Riu zu erkunden. Was für ein Aufsehen muss der Chevy damals verursacht haben! Die Fahrt ging in den Norden, zur Albufera, bis nach Son Moll (Cala Rajada). „Am Strand zeichnete uns Don Juan die Pläne für den Um- und Ausbau seines Hotels in den Sand.” Brünings wurden Zeugen der Geburt einer Hotel-Dynastie.

Ein andermal gingen sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf Erkundung. Das war gar nicht so schwer, denn Arenal war zu jener Zeit mit einer Bahnlinie an Palma angebunden. Und in der Stadt ging's mit der Tram weiter: ,,Durch die Calle San Miguel und über die Plaça Major. Die Menschen hingen wie Trauben an den Wagen.”

Auch Stierkampf war angesagt. Mit großen Namen, mit Toreros, „die Hemingway in ,Tod am Nachmittag' beschrieben hat”, wie Rudi Brüning nicht ohne Stolz betont. Henny Brüning hat hinterher allerdings „drei Wochen kein Fleisch gegessen”.

Und dann die ersten Bootsausflüge. Einer führte die Abenteurer nach Magaluf. Das war ein unberührter Strand, die einzige „Bebauung” ein Stand, an dem Coca Cola verkauft wurde. 

 

45 Jahre später:

Die Brünings haben wieder eingecheckt – und dem 1996 gestorbenen Don Juan und der Playa de Palma die Treue gehalten. Wir sitzen in Suite 512 des RIU Bravo, das die Brünings nun auch schon wieder seit 20 Jahren kennen. Heute haben sie „frei”. Denn dreimal die Woche gehen die rüstigen Rentner wandern, mit dem Club Mallorquin von der TUI. „Damit halten wir den Alterungsprozess etwas auf”, sagt der bewundernswert fitte Senior. Zehn Wochen bleiben sie diesmal. Damit trifft sie, die Treuesten der Treuen, die Ökosteuer besonders hart. „Das ist ungerechnet”, finden sie, aber von Mallorca abhalten kann sie das auch nicht.

Nur die Sommerurlaube habe sie schon vor vielen Jahren aufgegeben. Zwischen den Ballermännern fühlten sie sich einfach nicht mehr wohl. Aber in den ruhigen Arenal-Wintern kommt Nostalgie auf, auch wenn der Blick vom Balkon nicht mehr auf Dünen fällt, sondern auf Betonsilos. Auch wenn die Brandy-Preise um ein Vielfaches gestiegen sind. Auch wenn die Ausflüge keine echten Abenteuer mehr sind, sondern mehr von der Sorte: ,,Gestern fuhren wir mit der Bahn nach Inca und haben im "Lidl" Weihnachtssachen gekauft” (Rudi Brüning).

Riu war übrigens der erste Mallorca-Hotelier, der Weihnachtsbäume aus Deutschland einfliegen ließ. Und bis heute ist für die Stammgäste im RUI Bravo das gemeinsame Schmücken des Baumes in der Lobby ein Erlebnis. Der Urlaubssitz ist längst zu einer zweiten Heimat geworden. Der Abschied fällt entsprechend schwer.

Wehmut kam schon beim Adiós im Jahre 1957 auf. Barkeeper Julius sorgte gar dafür, dass „wir Rotz und Wasser heulten” (Henny Brüning). Julius legte nämlich eine Platte von Rudi Schurike auf: „Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn ...”



( Mallorca Magazin Ausgabe 131/2002 )

 


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